Stillstand in Bayern

Landespolitik: Holt die Debatten endlich wieder zurück in den Landtag!

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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11.4.2024, 15:00 Uhr
Eine Szene mit Seltenheitswert, weniger, was den Redner der AfD im Vordergrund angeht, sondern mehr die Anwesenheit des Ministerpräsidenten Markus Söder hinter ihm.

© Peter Kneffel/dpa Eine Szene mit Seltenheitswert, weniger, was den Redner der AfD im Vordergrund angeht, sondern mehr die Anwesenheit des Ministerpräsidenten Markus Söder hinter ihm.

Seit mehr als einem halben Jahr ist die neue Regierung im Amt, haben sich die Fraktionen formiert, der Landtag sich konstituiert. Und trotzdem geht nichts voran im Parlament, bleibt es unter der Wahrnehmungsgrenze.

So ruhig ist es, dass einzelne Ausschüsse mangels Tagesordnungspunkten gar nicht erst stattgefunden haben. Und im Plenum selbst ist das Aufregendste die Frage, wie klar auch beim zwanzigsten Anlauf der AfD-Kandidat für das Landtagsvizepräsidenten-Amt scheitern wird.

Dabei ist die Startphase längst vorbei. Und es gäbe wahrhaft genug Themen, mit denen sich der Landtag beschäftigen sollte, von der Energie-, Bildungs-, der Wirtschafts- und der Umweltpolitik bis zu Fragen der inneren Sicherheit oder der Demokratie.

Noch nicht mal ein Haushalt

Nichts davon findet wirklich statt, nicht in den Ausschüssen und schon gar nicht im Plenum. Selbst der Doppelhaushalt für dieses und das nächste Jahr ist nicht fertig, sondern wird wohl erst Mitte Juni verabschiedet. Wohlgemerkt: der für dieses Jahr, das dann schon zur Hälfte vorbei sein wird.

Diese Agonie des Parlaments ist von Regierungsseite gewollt. Markus Söder hat als CSU-Chef und Ministerpräsident den Diskurs verlagert, aus dem Parlament in den Ministerrat und die CSU-Zentrale. Im Landtag macht er sich rar. Und anders als in der Corona-Pandemie erklärt er hier seine Politik nicht mehr.

Söder nimmt so der Opposition die Bühne, auf der sie ihn angreifen könnte. Klar - der Ministerpräsident ist nicht die einzige Projektionsfläche für gute Oppositionspolitik. Und die Grünen erarbeiten sich auch ohne ihn als direktem Gegenpart eine gewisse Aufmerksamkeit.

Für die SPD gilt das nicht. Dabei müsste gerade sie sich zurück in die öffentliche Wahrnehmung kämpfen gegen den Bedeutungsverlust in Bayern, der sie nahe an die Fünf-Prozent-Hürde geführt hat. Doch es wirkt, als habe sich die Partei aufgegeben.

Die AfD nutzt es aus

Sicher: Der politische Exkurs hat nicht erst seit Söder einen neuen Raum. Das Internet, die sozialen Medien, die Talkshows und neue Veranstaltungsformate bestimmen heute, wo Politik stattfindet und sich Meinungen bilden. Söder hat das verinnerlicht, ebenso die AfD.

Die ignoriert die Ausschüsse im Landtag und konzentriert sich auf das Plenum als Bühne für die Selbstdarstellung. Denn anders als die Ausschüsse streamt der Landtag jede Plenarsitzung - und die AfD nutzt das aus.

Will der Landtag nicht zur Showbühne für Rechte verkommen, muss er sich die politische Diskussion zurückholen. Dazu gehört Transparenz via Livestream ebenso wie die Regierungsbefragung, die auf Bundesebene selbstverständlich ist, im Landtag aber nicht. Dort hat es sie mal gegeben - als CSU-inszenierte Farce. Es wird Zeit für eine echte Reform, die das Parlament wieder zum Zentrum der politischen Debatte macht.

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