Prozess gegen Reichsbürgerszene

Heinrich XIII. Prinz Reuß: Kein Stoff für eine Operette, sondern blutiger Ernst

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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29.4.2024, 13:56 Uhr
Heinrich XIII. Prinz Reuß ist deutscher Immobilienunternehmer und gilt als einer der wichtigsten Akteure in der "Reichsbürger"-Bewegung.

© Boris Roessler/Boris Roessler/dpa Heinrich XIII. Prinz Reuß ist deutscher Immobilienunternehmer und gilt als einer der wichtigsten Akteure in der "Reichsbürger"-Bewegung.

Ein Drehbuchautor hätte seine liebe Not, einen Produzenten zu finden, der sich auf eine solch abenteuerliche Geschichte einlassen würde: Mächtige Politiker halten Kinder gefangen, um aus deren Blut Zaubertränke zu brauen, die auf ewig jung halten. Was für ein Blödsinn, oder? Ja und nein. Für einen Film mag der Schmarrn nicht taugen, für einen Umsturz in Deutschland hätte es hingegen beinahe gereicht.

Heinrich XIII. Prinz Reuß und seine Mitstreiter hatten bereits den Sturm auf den Bundestag geplant und wollten aus unserer Republik etwas anderes formen. Die dazu nötigen "Experten" stehen nun vor Gericht. In Stuttgart ist es der militärische Arm der Verschwörer, insgesamt sind es 26 Angeklagte, gegen die an drei OLG-Standorten verhandelt wird.

Auch unsere Region war betroffen: Ein verdächtiger IT-Spezialist wurde in Pleinfeld (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) infolge der Ermittlungen gegen die Truppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß festgenommen. Die Reichsbürgerszene, das ist längst kein Geheimnis mehr, hat überall ihre Sympathisanten. Und dass mit denen nicht zu spaßen ist, sollte spätestens seit den tödlichen Schüssen auf Beamte in Georgensgmünd (Kreis Roth) klar sein, 2016 wurde in der mittelfränkischen Gemeinde ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei von einem Anhänger der Reichsbürgerszene erschossen, drei weitere Polizisten wurden angeschossen.

Die Reichsbürger-Bewegung, so abstrus ihre Beweggründe für vernünftig denkende Menschen sein mögen, darf nicht unterschätzt werden. Natürlich wäre es Heinrich XIII. Prinz Reuß und seinen Mitstreitern nicht gelungen, die Bundesregierung zu stürzen.

Ein Blutbad im Bundestag wäre mit Blick auf die Vorkenntnisse der Beteiligten aber durchaus möglich gewesen, schon ein Vorstoß ins Reichstagsgebäude hätte mindestens für großes öffentliches Aufsehen gesorgt. Erinnert sei hier an den Sommer 2020, als Kritiker der Corona-Politik ins Parlament eindringen wollten.

Die Reichsbürger waren wesentlich besser organisiert als seinerzeit die Corona-Unzufriedenen, sie hatten echte Profis in ihren Reihen, unter anderem Ex-Offiziere der Bundeswehr. Dazu kamen Spezialisten aus anderen Bereichen, darunter eine Ex-Bundestagsabgeordnete der AfD.

Es geht also nicht nur um völlig durchgeknallte Esoteriker (auch solche finden sich in dieser Szene), sondern um straff organisierte Kader, die munter beim Rekrutieren von weiteren Kräften für das Verwirklichen ihrer Umsturzfantasien waren.

Heinrich XIII. Prinz Reuß ist also mehr als eine Operettenfigur. Er ist der Anführer eine staatsgefährdenden Terrorgruppe, die sich nun vollkommen zurecht vor Gericht verantworten muss. Die Ermittlungsbehörden sind gut beraten, vom Schlimmsten auszugehen, anstatt geplante Anschläge wie diesen eher halbherzig aufklären zu wollen. Erinnert sei in diesem Kontext an den NSU-Komplex, der viel zu lange zu wenig Ernst genommen wurde.

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