Das Bündnis ist ein Überraschungsei

100 Tage BSW: Wie Sahra Wagenknechts Partei die deutsche Politik verändern könnte

Harald Baumer

Korrespondent Berlin

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11.4.2024, 11:00 Uhr
Sahra Wagenknecht

© Jonathan Penschek/dpa Sahra Wagenknecht

So etwas wie das Bündnis Sahra Wagenknecht hat die Bundesrepublik noch nicht erlebt. Vor gerade mal 100 Tagen wurde die Partei offiziell gegründet und schon macht es den Eindruck, als ob sie aus der politischen Landschaft so schnell nicht mehr wegzudenken sei.

Das Bündnis hat kaum Mitglieder, erst recht keine allzu bekannten Gesichter außer ihrer Namensgeberin. Die Partei kann noch keine lokalen und regionalen Erfolge aufweisen. Ihre Präsenz im Bundestag verdankt sie ausschließlich der Abspaltung einiger Abgeordneter von der Linkspartei. Ein Programm gibt es außerdem nur in Grundzügen.

Aber trotzdem sind die Umfragen für die Europawahlen und drei Landtagswahlen dermaßen stabil, dass man ernsthaft mit dem Einzug des BSW in die Parlamente rechnen muss. In Brandenburg (10,3 Prozent), Thüringen (14,0), Sachsen (11,0) und Europa (5,7) dürfte es klappen, zumal bei der Wahl zum Europäischen Parlament die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt.

Eine Alternative zur Alternative?

Dass das Bündnis in mancher Hinsicht noch die große Unbekannte ist, scheint seine Anhänger nicht sonderlich zu stören. Der Wunsch vieler Menschen, weder den etablierten Parteien noch der AfD ihre Stimme zu geben, hilft dem BSW. Zumal die Werteunion als weiterer neuer Konkurrent nicht so recht vorankommt.

Es ist in einer lebendigen Demokratie ganz in Ordnung, wenn sich - den Bedürfnissen entsprechend - immer wieder neue Parteien gründen. Im Falle Bündnis Sahra Wagenknecht hat das die Nebenfolge, dass das Protestpotenzial der Bürger(innen) nicht mehr ausschließlich bei der AfD entladen wird.

Wir müssen uns unter Umständen an komplett neue politische Verhältnisse gewöhnen. So werden in Thüringen - Stand jetzt - AfD, Linke und BSW weit über 50 Prozent der Stimmen erhalten. Wollte die CDU eine Regierung bilden, müsste sie eine der drei Parteien in ihre Koalition aufnehmen. Und das könnte nach Lage der Dinge durchaus das BSW werden.

Man stelle sich vor: Die CDU hätte es, wenn auch nur auf Landesebene, mit einem Partner zu tun, der eine komplett andere Politik gegenüber dem Kriegstreiber Putin vertritt und die Marktwirtschaft in ihrer bisherigen Form in Frage stellt.

Flexibilität wird unverzichtbar

Solch eine inhaltliche Flexibilität wird von den Parteien in Zukunft ohnehin viel mehr verlangt werden als bisher. Da müssen vermutlich öfter mal drei oder sogar vier Partner zusammenarbeiten, die das eigentlich nicht möchten. Wozu solche Zwangsbündnisse führen können, das sehen wir zurzeit auf Bundesebene an der Ampel. Aber: Wählerinnen und Wähler wollen es so - und die Politik wird sich damit arrangieren müssen.

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